Zeitreise

Nach der Gründung 1886 wächst in der Sektion der Wunsch und die Bereitschaft, mit der Übernahme einer Hütte einen Stützpunkt für Hochtouren zu schaffen. Die Sektion Oberland hat vorgeschlagen, gemeinsam mit den Weissensteinern einen "Pavillon Petersgrat" zu bauen, den die Weissensteiner anschliessend in eigener Regie übernehmen sollten.
Die Weissensteiner wären aber keine Weissensteiner, wenn sie nicht auf ihrer Idee beharrten, die Hütte am Fusse des Mutthorns zu bauen. 
Das langwierige Seilziehen wird durch einen Sturm entschieden, der im Lauterbrunnental für billiges Bauholz sorgt. Nun fügen sich die Oberländer und treiben den Bau der Hütte am Mutthorn wacker voran. Am 30. September 1895 können die Weissensteiner die Hütte schliesslich von der Sektion Oberland übernehmen und im kommenden Sommer feierlich einweihen.

Als erster Hüttenchef der Sektion fungiert Wilhelm Forster (1895-1908).

Die erste Mutthornhütte, ganz aus Holz gebaut, bietet Platz für 25 Touristen. An die Baukosten von Fr. 5000.-- haben die Weissensteiner Fr. 1441.-- zu leisten.

Die Hütte ist zweigeteilt - in eine "Bauernstube" und einen "Damensalon". Trotz ihrer primitiven Einrichtung wird sie von einem Besucher als "eine der komfortabelsten Hütten des SAC" bezeichnet und gehört bald zu den meistbesuchten alpinen Unterkünften.

Bei über 900 Übernachtungen im Jahre 1906 wird es unmöglich, die Mutthornhütte ohne Hüttenwart in Ordnung zu halten.

So übernimmt von 1907 an Fritz Gertsch von Stechelberg für zwei, später für drei Sommermonate die Wartung der Hütte. Ein Amt, das er 37 Jahre lang bis zu seinem Tode (1943) zur vollen Zufriedenheit der Weissensteiner verseht.

Dies ist der Start einer langen Hüttenwart-Dynastie, welche über 5 Generationen weitergeführt wird.

1908 wird ein erster Ausbau auf 50 Plätze getätigt.

1909 übernimmt August Walker das Amt des Hüttenchefs.

1913 wird mit einem Ausbau nach Westen die Platzzahl auf 60 erhöht.

1921 übernimmt Oskar Hauser das Amt des Hüttenchefs (1921 - 1924)

1925 wird der Wohn-/Essraum vergrössert und es wird ein Kupferdach aufgebaut.

In der Folge wechselt das Amt des Hüttenchefs recht rege:
1925 - 1928 Ernst Brunner
1929 - 1934 Max Luterbacher
1935 - 1939 Oskar Allemann
1940 - 1946 Robert Strüby

Nach dem Tod des ersten Hüttenwarts übernimmt dessen Sohn Fritz Gertsch II. (1943 - 1964).

Fritz Gertsch erinnert an der Hauptversammlung 1974 mit folgenden Worten an seine Zeit als Hüttenwart:

«l bi i dere Mutthore-Hüttä gsyn von nünzähnhundertzächen bis drizächen. Han erläbt, won der Chuchiumbau isch gmacht worden. Nünzähnhundertfüfezwänzg bin i derby gsyn, wo d Hütte umbaue worden isch. Da han i mitgholfen, da simmer füf Wochen droben gsyn. l bsinne mi no guet, wommer hen der Dachstock glüftet fürs zerhöhen, für Lager zmachen. Da isch e Schturm chon. Mir hei Angscht khaa, es näm üs uf zmal s ganzi Dach fort. S Dach isch bliben, der Umbau heimer gmacht. l ha schpäter, nünzächeeinefüfzg / zweiefüfzg, der Neubau mitgmacht. Do simmer zwee Summer dobe gsyn, und daa, liebi Kameraden, mecht i no üsem verehrten Hermann Geiger gedenken. l bsinne mi no guet, wo dä zerschtmol isch cho mit sim Piper und drii Zentner Zimänt brocht het. . .»

Die Sektion feiert die ersten 50 Jahre in der erfolgreichen Geschichte der Mutthornhütte.

1947 übernimmt Markus Wagner als Hüttenchef (1947 - 1954).

Unsere Mutthornhütte SAC erlangt nicht nur wegen ihrer aussergewöhnlichen Lage umgeben von Eis und Schnee Bekanntheit. Erstmals in der Geschichte des Alpinismus wird Baumaterial für eine Hütte auf dem Luftweg befördert. Im Auftrag des Schweizer Alpen-Club SAC fliegt der legendäre Gletscherpilot Hermann Geiger im Jahr 1952 in etwa 150 Flügen 42 Tonnen Material für den Neubau der Hütte auf den Kanderfirn – inklusive zerbrechliche Ware wie Fensterscheiben und Porzellan. Geiger will die Ware deshalb nicht wie bisher einfach über dem Gletscher abwerfen, sondern mit seinem Flugzeug darauf landen. Am 10. Mai 1952 setzt er mit einer extra für das Vorhaben gekauften und mit Kufen umgerüsteten Piper Super Cub erstmals auf dem Firn auf. Der Startschuss für ein neues Kapitel der Rettungs- und Versorgungsfliegerei ist gefallen.

Nach Plänen von Clubmitglied Otto Sperisen wird die alte Hütte durch einen Neubau in Stein ersetzt, welcher jetzt für 100 Personen Platz bietet.

Nebst dem Material, welches erstmals per Flugzeug auf die Baustelle gebracht wird, werden weitere 70 Tonnen aus Selden von Maultieren bis zum Gletscher getragen. Von dort schleppt ein 4 Kilometer langer Seilzug das Material zur Hütte.

Der Steinbau kostet wesentlich mehr als der Holzbau von 1885. Gegen Fr. 200'000 werden durch einen Zuschlag zum Jahresbeitrag von den Mitgliedern aufgebracht.

Mit Fritz Gertsch III. übernimmt der Enkel des ersten Hüttenwarts die Aufgabe die Hütte zu führen.

Seitens der Sektion waltet seit 1955 Werner Meyer als Hüttenchef (1955 - 1964).

Nachdem 1965 mit Wilhelm Altermatt ein neuer Mutthornhüttenchef übernommen hat (1965 - 1980) kommt es 1969 zum grossen James Bond-Showdown auf der Mutthornhütte:
Es werden in der Hütte zwar keine Szenen gedreht (die sind dem Schilthorn vorenthalten), aber aufgrund von Schneemangels auf eben dem Schilthorn werden die rasanten Skifahrten für James Bond und seine Verfolger vom Petersgrat hinunter gedreht. Der spätere Hüttenwart Heinz Brunner ist einer der Skifahrer. Um die Berner-Oberländer-Stuntmen auf den Petersgrat hinaufzuziehen, werden Schneefahrzeuge zur Mutthornhütte geflogen. Über Weihnachten werden diese komplett eingeschneit. "Wir mussten drei Meter Schnee wegschaufeln, um diese wieder flott zu bekommen", erinnert sich Heinz. Nicht ausgegraben hat man 3 Kerosinfässer mit dem Treibstoff der Fahrzeuge. Im Sommer 2000 gibt der Gletscher das erste Fass wieder frei. 2009 findet Toni Brunner das letzte.

Eine Anekdote darf nicht fehlen: Als ein Schauspieler der James Bond-Crew ein urmenschliches Bedürfnis hat, kann er sich partout nicht vorstellen, seinen allerwertesten Hintern auf das windige Plumpsklo zu setzen. Er wird deshalb kurzerhand zur Verrichtung seines Geschäfts eigens mit dem Helikopter ins Tal geflogen. Sachen gibt es!

Die SAC Sektion Weissenstein feiert das 75-jährige Bestehen ihrer erfolgreichen Mutthornhütte.

Mit Heinz Brunner-Gertsch übernimmt der Schwager von Fritz Gertsch III. die Geschicke auf der Mutthornhütte als neuer Hüttenwart.  34 Jahre lang bewartet er die Hütte zusammen mit seiner Frau Erna.

Wie kommt das Essen auf die Berghütte? 1972 ist dafür unter anderem der Pilot Ty Rufer verantwortlich. Er landet seine Piper verlässlich auf den Gletschern der Schweizer Alpen (Mutthornhütte).

Zu sehen ist auch Toni Brunner, Hüttenwart in 5. Dynastie, als Bub. Eine Archivperle!

Der Neubau von 1951 befriedigt mit der Zeit nicht mehr. Darum entschliesst sich die Sektion im Jahre 1980 zu einem Um-/Ausbau. Dabei entsteht eine alpine Unterkunft mit Hüttenwartwohnung und einem Winterraum sowie Solarlicht. Durch einen Zuschlag zum Jahresbeitrag werden die Kosten von Fr. 188'000.-- beglichen. Die Sektion darf stolz auf ihre Hütte sein.

Ab 1981 wirkt Hansruedi Herrmann (Bello) als Hüttenchef der Sektion. Er wird dieses Amt ebenfalls über längere Zeit, sogar noch länger als sein Vorgänger ausüben (1981 - 2002).

Zum 100-jährigen Jubiläum der Mutthornhütte erscheint eigens eine Jubiläumsschrift mit einer speziellen Erzählung zur Geschichte der Mutthornhütte und deren Umgebung von René Monteil.

Der Mutthornhüttenchef Hansruedi Bello Herrmann ist übrigens nicht nur für die Festivitäten rund um das Jubiläum verantwortlich, ihm ist es auch zu verdanken, dass es seit seiner Amtszeit auf der Mutthornhütte eine gehobenere Weinkultur gibt. "Es git auso nid nume Chuttlerugger."

Erstmals in der über 100-jährigen Geschichte der Mutthornhütte kommt es auch beim Amt des Hüttenchefs zu einem Generationenwechsel: Roger Herrmann übernimmt von seinem Vater Hansruedi Bello Herrmann.

Mit Toni & Erika Brunner übernimmt nun die Nummer fünf der Gertsch-Dynastie das Amt der Hüttenbewartung. Im gleichen Jahr erfolgt die Verbesserung/Ausbau der Küche.

In der Mutthornhütte wird immer wieder Kleineres und Grösseres verbessert und ausgebaut:

2008 erfolgt der erste Teil der Solaranlage-Erweiterung, gefolgt von Brandschutzmassnahmen und dem zweiten Teil des Solarausbaus.

2010 ist sozusagen die erste Saison ohne Baustelle für Toni und Erika Brunner.

Einige der SAC-Hütten in den Schweizer Alpen erfüllen bezüglich ihrer Entsorgung der Fäkalien nicht mehr den geforderten Umweltschutzbedingungen. Auch unsere Mutthornhütte auf rund 2900 Meter über Meer entspricht diesen Anforderungen nicht, erfolgt doch die Fäkalienentsorgung über einen Felsen direkt zum Gletscher. Es besteht also Handlungsbedarf.

Die Budgetversammlung sagt JA zur Freigabe des Kredites zur Sanierung der Toilettenanlage. Das Projekt sieht eine Lösung mit Fäkalientanks vor. Die Kosten belaufen sich insgesamt auf Fr. 212'000.--, wobei wie schon in früheren Jahren ein Teil durch eine zweckgebundene vorübergehende Erhöhung des Mitgliederbeitrages erfolgen soll.

Der unbekannte James-Bond-Film-Schauspieler (siehe 1969) hätte sein wahre Freude daran: 

Mit einem schönen Fest wird die neue WC-Anlage feierlich eingeweiht. Ein weiteres Projekt rund um die Mutthornhütte findet einen glücklichen und gelungenen Abschluss.

Anmerkung: Alt-Hüttenchef Bello Herrmann (bald 80-jährig) und sein langjähriger Bergkamerad Hansruedi Huser (82-jährig) sind auch dabei. Notabene zu Fuss sind sie nochmals auf die Mutthornhütte aufgestiegen. Chapeau!

Nachdem schon 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie das Hüttenleben nur mit Einschränkungen aufrecht erhalten werden konnte, kann das grosse Jubiläumsfest zum 125-jährigen Bestehen pandemiebedingt nicht stattfinden.

Zudem Plagen die Mutthornhüttenverantwortliche noch andere Sorgen: die Fels-Situation rund um die Hütte verändert sich zusehends. Und das nicht ins Positive...

Während die Gletscher rundum aufgrund der Klimaerwärmung rasant schmelzen, kann in unmittelbarer Umgebung und auf der Terrasse beobachtet werden, dass sich immer mehr Risse bilden. Deren Entwicklung wird schon seit ein paar Jahren mit Vermessungen genau beobachtet.

Nachdem die Messungen im Sommer/Herbst eine markant stärkere und schnellere Veränderung in den Felsbewegungen zeigen, wird die Hütte vorerst vorsichtshalber bis auf Weiteres gesperrt.

Nach der vorübergehenden Sperrung ist es am 27. Mai 2022 dann leider Tatsache:
Für die Mutthornhütte wird ein Nutzungsverbot ausgesprochen und ab sofort ist die Hütte inkl. Winterraum, Terrasse und nähere Umgebung definitiv gesperrt - für immer!

Die SAC Sektion Weissenstein muss sich schnellstmöglich Gedanken darüber machen, ob sie einen Ersatz-Neubau anpacken will oder die Hütte zurückbauen und die Alpinlandschaft rund um den Kanderfirn der Natur zurückgeben will. Aufgrund versicherungstechnischer Auflagen müsste ein Ersatz-Neubau innert 5 Jahren, also spätestens im Mai 2027 fertig sein. Baut man nicht, wird es in dieser schönen Region, welche sich in Zukunft aufgrund der Klimaentwicklung stark verändern wird, nie mehr eine Hütte geben.

Sogar 10vor10* war das ein Beitrag wert (*links auf "Film ab!" klicken).

Die Verantwortlichen für das Hüttenwesen, rund um Hüttenchef Roger Herrmann, haben sich nach der Schliessung sofort an die nötigen und aufwändigen Abklärungen gemacht, um der Hauptversammlung der Sektion die bestmöglichen Grundlagen für den bevorstehenden "Jahrhundert-Entscheid" zu bieten.

An der denkwürdigen Hauptversammlung vom 7.1.2023 sagen die Mitglieder der SAC Sektion Weissenstein, nach intensiver, aber konstruktiver Diskussion schliesslich mit 160 zu 73 Stimmen bei 19 Enthaltungen, JA zu einem Ersatz-Neubau. Dieser soll in etwa einem Kilometer Abstand vom alten Standort zu stehen kommen.

Die Presse und auch SRF mit Schweiz Aktuell verfolgen die HV 2023 mit grossem Interesse.